how to build a website
Pfarre Paudorf-Göttweig lenkt Blick auf NS-Schuldgeschichte
Voraufführung der Doku "Die Kremser Hasenjagd" zu Massaker in Hadersdorf kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs

St. Pölten (KAP) Die Pfarre Paudorf-Göttweig in Niederösterreich lenkt den Blick auf ein Stück unaufgearbeiteter Zeitgeschichte: In einer Voraufführung ist dort am Sonntag, 10. April, um 19 Uhr im Hellerhof (Pfarrsaal) der Dokumentarfilm "Die Kremser Hasenjagd" zu sehen. Der 45-minütige Streifen greift die Ereignisse des 6. April 1945 - kurz vor Kriegsende - auf, als eine SS-Einheit unter Beihilfe örtlicher Nationalsozialisten in Hadersdorf (Bezirk Krems) eine regelrechte Treibjagd auf die aus dem Zuchthaus Stein bei Krems freigelassenen, überwiegend politischen Häftlinge Zeitzeugen veranstalteten. Anschließend an die Filmvorführung ist in der Pfarre eine Diskussion mit den Gestaltern und dem Paudorfer Pfarrer P. Udo Fischer geplant.
 
Der Enkel eines damals Ermordeten, Gerhard Pazderka, und der Historiker Robert Streibel gestalteten den vom Verein "Gedenkstätte - Hadersdorf am Kamp" produzierten Film: "Mehr als 60 Jahre nach einem der großen Kriegsendphasenverbrechen der Nationalsozialisten, das in Niederösterreich stattfand, wollten wir die Erinnerung an das Ereignis und die Opfer festhalten", erklären die Initiatoren auf der Homepage zum Film. Damit verbunden solle der gegenwärtige Umgang mit "regionaler Erinnerungskultur" beleuchtet werden. In Hadersdorf am Kamp sei der Konflikt um die Errichtung einer Gedenkstätte eskaliert, so die Filmemacher.
 
Der für die Entlassung der Häftlinge verantwortliche Gefängnisdirektor Franz Kodre und drei seiner Gefängniswärter wurden von den Nazis hingerichtet, Hunderte Freigelassene beim Massaker in der Strafanstalt und in den umgebenden Orten - wie z.B. Krems, Paudorf-Göttweig und Hadersdorf am Kamp - ermordet. "Ein großer Teil der Täter ist nie zur Verantwortung gezogen worden", klagt Streibel an. "Die Anerkennung haben die Opfer ja nicht gekriegt, dass das, wofür du eingesperrt worden bist, Widerstand war. Damit warst du in Österreich nicht sonderlich beliebt."
 
Christian Timm, heutiger Leiter der Strafanstalt Stein, bekundet im Film sein Erstaunen darüber, dass er selbst erst im Alter von 28 Jahren im Zuge seiner Ausbildung auf die Geschehnisse gestoßen sei."
 
Die Wiener Erstaufführung von "Die Kremser Hasenjagd" findet am 27. April um 19.30 Uhr im Aktionsradius (1200 Wien, Gaußplatz 11) statt. (Informationen: www.kremser-hasenjagd.at)
 
Pfarre bewahrt Andenken an Opfer
 Die Pfarre Paudorf-Göttweig hat sich in Gesprächsrunden schon in den 1990er Jahren mit dem NS-Massaker an Gefangenen der Haftanstalt Stein beschäftigt, berichtete Pfarrer P. Udo Fischer im Gespräch mit "Kathpress". Zu den Hintergründen der "Kremser Hasenjagd" vom 6. April 1945 teilte er mit, Gefängnisdirektor Franz Kodre habe angesichts des Vorrückens der Rote Armee Weisungen eingeholt, was mit den Insassen zu geschehen habe. Die "leichten Fälle" - also Kleinkriminelle und politische Gefangene - seien freizulassen, hieß es. Doch als Kodre demgemäß handelte, trat eine SS-Einheit auf den Plan, richtete Kodre wegen "Hochverrats" hin und machte sich an die Verfolgung der in verschiedene Richtungen Geflohenen.
 
60 dieser Freigelassenen wurden laut P. Udo Fischer auf der Flucht nach St. Pölten im heutigen Pfarrgebiet von Paudorf gestellt und ermordet. Auch in der Stein-Außenstelle in Hörfarth nahe bei Paudorf wurden die Häftlings im Zuge der "Hasenjagd" ermordet. Ihre Identität ist bis auf zwei durch eine Familie aus der Pfarre gerettete Männer bis heute unbekannt, so Fischer. Man schulde es dem Andenken an diese Opfer des menschenverachtenden Regimes, "die ja keine Schwerverbrecher waren", die damaligen Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und womöglich sogar heute noch -durch Exhumierungen - Hinweise auf ihre Identität zu gewinnen, meinte der Pfarrer.
 
Die Kirche erinnere mit einer "Maximilian-Kolbe-Kapelle an die Opfer von Hörfarth, im Pfarrzentrum Hellerhof wurde im dortigen Museum ein Schauraum über die NS-Zeit in der Pfarre Paudorf-Göttweig eingerichtet. Auch eine Gedenktafel und eine schriftliche Dokumentation erinnern an die Verbrechen der letzten Kriegstage.

08/04/2011 KATHPRESS.at