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„Die Kremser Hasenjagd“: Doku zu verschüttetem Stück NS-Geschichte
Der Film über ein Massaker an Häftlingen wird in der Pfarre Paudorf-Göttweig am 10. April als Voraufführung gezeigt. Laut Historiker wurde ein Großteil der Täter nie zur Verantwortung gezogen.

Paudorf-Göttweig – Ein Stück unaufgearbeiteter Zeitgeschichte dokumentiert der Film „Die Kremser Hasenjagd“: Zeitzeugen berichten darin über ihre Erlebnisse rund um die Ereignisse des 6. April 1945. Damals veranstalteten NS-Einheiten im Bezirk Krems eine regelrechte Treibjagd auf die aus dem Zuchthaus Stein bei Krems freigelassenen, überwiegend politischen Häftlinge. Am 10. April ist der Streifen erstmals in der Pfarre Paudorf-Göttweig bei einer Voraufführung zu sehen.
Der Enkel eines damals Ermordeten, Gerhard Pazderka, und der Historiker Robert Streibel gestalteten den vom Verein „Gedenkstätte - Hadersdorf am Kamp“ produzierten Film: „Mehr als 60 Jahre nach einem der großen Kriegsendphasenverbrechen der Nationalsozialisten, das in Niederösterreich stattfand, wollten wir die Erinnerung an das Ereignis und die Opfer festhalten und gleichzeitig einen Blick auf den gegenwärtigen Umgang mit regionaler Erinnerungskultur werfen“, erklären die Initiatoren auf der Homepage zum Film.

Der für die Entlassung der Häftlinge verantwortliche Gefängnisdirektor Franz Kodre und drei seiner Gefängniswärter wurden von den Nazis hingerichtet, Hunderte Freigelassene beim Massaker in der Strafanstalt und in den umgebenden Orten - wie z.B. Krems, Paudorf-Göttweig und Hadersdorf am Kamp - ermordet. „Ein großer Teil der Täter ist nie zur Verantwortung gezogen worden“, klagt Streibel an. „Die Anerkennung haben die Opfer ja nicht gekriegt, dass das, wofür du eingesperrt worden bist, Widerstand war. Damit warst du in Österreich nicht sonderlich beliebt.“

Anton Jelen, wegen „Wehrpflichtentziehung“ inhaftiert, überlebte das Gemetzel und verstarb 2010. Im Film kommt er zu Wort: „Kurz bevor das Massaker angefangen hat, da habe ich den Direktor Kodre getroffen; sagt er, ich soll schnell gehen und mich umziehen, ihr werdet alle entlassen. Ich bin hinunter gegangen, und wir sind zum letzten Tor gekommen. Gleich hinter dem Tor sind zwei Offiziere gestanden. Ich habe gesagt, drehen wir um, gleich danach sind die Offiziere hinein gekommen und haben angefangen - Handgranaten, Gewehre und so weiter - und wir sind gerannt. Wir haben dann runtergeschaut in den Nord-West-Hof, dort haben sie gerade den Direktor erschossen.“

Christian Timm, Leiter der Strafanstalt Stein, bekundet im Film sein Erstaunen darüber, dass er selbst erst im Alter von 28 Jahren im Zuge seiner Ausbildung auf die Geschehnisse gestoßen sei.“ Pessimistisch äußert sich der Paudorfer Pfarrer Udo Fischer, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema des Nationalsozialismus beschäftigt: „Ich fürchte, die Gefahr ist nicht für immer gebannt.“ (APA)

06/04/2011 Tiroler Tageszeitung